In die Falle getappt...
Kapitalmarkt-Standpunkt von Kai Jordan, Vorstand der mwb Wertpapierhandelsbank AG
nun haben wir uns an dieser Stelle schon länger nicht mehr mit dem Thema Zinsen beschäftigt doch kocht das Thema seit 2 Wochen wieder hoch. Die durch Basiseffekte hochgepimpte Inflationsrate ruft die Falken in der EZB auf den Plan und diese Vertreter einer Geldpolitik im Sinne des alten Bundesbank-Kurses rufen dringend nach einer restriktiveren Geldpolitik und vor allem dem Ausstieg aus dem Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP), das nach zwei Aufstockungen und Verlängerungen aktuell ein Volumen von 1,85 Bill. Euro hat und bis mindestens März 2022 laufen sollte. Auch in den USA wurde auf ein Herunterfahren der billionenschweren Anleihekäufe („Tapering“) diskutiert.
Ist dies nun ein realistisches Szenario oder nur ein regelmäßig wiederkehrendes Schreckgespenst der sogenannten geldpolitischen „Falken“ in den Gremien und damit „Hühnererschrecker“ der die Marktteilnehmer wiederkehrend in panisches Gackern und Flattern versetzt. Denn eine nachhaltige Reduktion der Liquidität in Verbindung mit ansteigenden Zinsen würde sofort die Preise sämtlicher Assetklassen in Frage stellen und hätte dann mittelfristig deutliche Auswirkungen auf die Konjunkturen. Über die dramatischen Folgen für die Staatshaushalte dies- und jenseits des Atlantiks haben wir ebenfalls schon geschrieben. Hierauf verweisen auch die „Tauben“ im EZB-Rat, die eher für eine laxere Haltung bekannt sind. Man kann vermuten, dass die derzeitige Kakophonie der Falken und Tauben in den Medien durchaus gewollt ist, um die Märkte ein wenig zu verunsichern und spekulative „Luft herauszulassen“ ohne tatsächlich Maßnahmen zu ergreifen. Verbale Geldpolitik!
Es ist nun nicht so, dass wir keine Freunde der ja ausschließlich auf Geldwertstabilität ausgerichteten ehemaligen Bundesbankpolitik waren oder sind. Nur gibt es diese Welt in der Realität nicht mehr. Sie lebt nur noch in den Köpfen der Falken bei den Zentralbanken. Es ist sicher nicht Aufgabe der Zentralbanken die negativen sozialen Folgen der durch die lockere Geldpolitik ausgelösten „Asset-Inflation“. Denn die Bürger die bereits Assets besessen haben, konnten an der Aufwärtsbewegung partizipieren und der Rest schaut einfach nur noch hinterher. Die Folgen davon zeigen sich mittelfristig an den Wahlurnen und so kann auch nur die Politik das Problem lösen.
Auch ist es nicht Aufgabe der Notenbank, sich um Staatsfinanzierung zu kümmern. Da die EZB aber einmal damit angefangen hat, kommt sie nun aus dem Dilemma nicht wieder heraus. Insgesamt sind die führenden Notenbanken dieser Welt einen Weg gegangen, aus dem es eine wirkliche Umkehr ohne drastische Friktionen an der einen oder anderen Ecke nicht mehr gibt. Man nennt sowas dann auch Entzugserscheinungen. Und damit ist eine Politik im Sinne des alleinigen Zieles Geldwertstabilität ohne Entzug nicht mehr zu erreichen. Aus heutiger Sicht wird das nicht stattfinden.
Zunächst mal entspannt sich nun im Vorfeld der angebliche so richtungsweisenden EZB Sitzung am Donnerstag das volkswirtschaftliche Umfeld. Denn in China verdichten sich die Anzeichen für einen deutlichen Verlust der konjunkturellen Dynamik. Der postpandemische Erholungsprozess der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft gerät ins Stocken. So fiel der „Purchasing Manager Index“ (PMI) von 50,4 auf 50,1 Punkte. Das sieht zwar auf den ersten Blick nicht dramatisch aus, aber er steht damit nur noch hauchdünn über der sogenannten Expansionsschwelle von 50 Punkten, mit der zwischen einer wachsenden Wirtschaft und Rezession unterschieden wird. Die Gründe liegen vor allem bei den Einschränkungen durch die Deltavariante, Erzeugerpreisen und den globalen Lieferengpässen.
Auch in den USA bekam die Diskussion der Falken „eins auf die Mütze“. Die Erholung am US-Arbeitsmarkt hat deutlich an Schwung verloren. So erwarteten alle „Experten“ die August „Non-Farm-Payrolls“, also den Anstieg der Arbeitsplätze ohne Landwirtschaft bei 700.000 neuen Stellen. Herausgekommen sind lediglich 374.000 neue Jobs. Dies dürfte Notenbankchef Jerome Powell darin bestätigen, dass es noch lange nicht Zeit fürs „Tapering“ ist. Dies schreiben auch Kommentatoren, die vor einer Woche noch wild durch den Hühnerstall geflattert sind. Dem für Freitag erwarteten Bericht des Bureau of Labor Statistics (BLS) des Arbeitsministeriums wird nun sowohl im Camp der Falken als auch bei den Tauben mit Spannung erwartet.
Aber auch in Deutschland und Europa werden die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Lieferengpässe und Fachkräftemangel allerorten. Das Ganze flankiert durch das wiederholte Versagen der Politik die Impfkampagne erfolgreich zu Ende zu führen. Dass alle nur im Wahlkampf sind, haben wir ja bereits mehrfach beklagt. Aber leider war das Land nicht mal in der Lage, die Anzahl der Durchgeimpften sicher zu ermitteln. Und es herrscht eine chaotische Zahlenlage bei den Inzidenzen. Klar ist nur eines: die Inzidenzen bei den Durchgeimpften sind extrem niedrig im Bereich um 20 plus, während die der Ungeimpften eher im Bereich von 150-250 liegt. Jedes Bundesland macht hier wieder irgendwas. Mehr als 90 % der Intensivpatienten mit Corona sind nun Impfverweigerer. Diese Menschen brechen den kategorischen Imperativ zumeist aus vollkommen hanebüchenen Motiven und werden gerade in der Jahreszeit nach der Bundestagswahl für eine neue Explosion der Probleme sorgen.
Gleichzeitig steht Deutschland möglicherweise vor sehr langen Koalitionsverhandlungen und die bereits derzeit manifestierte (Handlungs-) Unfähigkeit der Politik wird eine Zeit lang weiter Bestand haben. Wir sehen den Offenbarungseid bereits jetzt wieder in der Diskussion über Informationsrechte der Arbeitgeber bzgl. der Impfstatus ihrer Angestellten. Ist dies der Stoff, aus dem sich weitere positive konjunkturelle Impulse ergeben. Eher nicht.
So sagte Notenbank-Direktorin Isabel Schnabel vor ein paar Tagen, die EZB habe mittelfristig vor allem die Gefahr einer zu geringen Inflation im Blick. "So überraschend das für manchen klingen mag: Wir sorgen uns eher darum, dass die Inflationsrate auf mittlere Sicht zu niedrig ausfällt statt zu hoch", sagte Schnabel gegenüber einem Nachrichtenmagazin. Aber selbst wenn sich die Erholungen weiter bestätigen, was wir ja vorstehend bezweifeln: „eine drastische Versteifung bei der Geldpolitik wird es nicht geben (können). Die niedrigen Zinsen sind gekommen, um zu bleiben. Die Inflation dann möglicherweise auch. Aus dieser Falle kommen die Zentralbanken nur noch durch ein Wunder heraus. Sie sind ebenso alternativlos wie sehenden Auges in die Falle getappt.
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